Interstellare Flaschenpost – Projekt VoyagerNow

Interstellare Flaschenpost – Projekt VoyagerNow

Interstellare Flaschenpost – Projekt VoyagerNow

  • Posted by Tina Koch
  • On 15. Dezember 2019

1977 began­nen die bei­den NASA-Sonden „Voyager 1 & 2“ ihre Weltraummission. Das Hauptziel – die Erforschung der äuße­ren Planeten – war im Sommer 1989 mit einer Annäherung an Uranus voll­endet. Die Mission ging aber wei­ter und noch heu­te erfor­schen die bei­den Sonden die Grenze zwi­schen unse­rem Sonnensystem und dem inter­stel­la­ren Raum. Weiterhin wer­den aktu­el­le Daten an die Erde gesen­det, die neue Erkenntnisse ermög­li­chen. Aber selbst wenn in eini­gen Jahren die Energiereserven der Sonde erschöpft sind, wird der letz­te Teil der Mission noch für vie­le Millionen Jahre wei­ter­ge­hen. An der Außenwand der Sonden ist jeweils eine „gol­den Record“ ange­bracht – eine „Schall“platte mit ana­lo­gen Ton- und Bilddaten. Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass die ent­hal­te­ne Musik, Geräusche, Grußbotschaften und Bilder von der Erde, noch einen Beweis für die Existenz der Menschheit dar­stel­len wer­den, lan­ge nach­dem unse­re Sonne ver­glüht ist.

Damals wur­de die „gol­den Record“ von einem NASA Team um den Wissenschaftler Carl Sagan zusam­men­ge­stellt. Am 6. Dezember haben nun Klassen von vier Hamburger Schulen ihre Entwürfe und Ideen für eine neue inter­stel­la­re Flaschenpost unter dem Motto „VoyagerNOW“ im Planetarium vor­ge­stellt. Neben SchülerInnen der Winterhuder Reformschule, des Gymnasiums Buckhorn und der Christian Morgenstern Waldorfschule, hat auch eine 11. Klasse unse­res „Sprachen und Kulturvielfalt“ Profils (SpuK) an dem Projekt teilgenommen.

Was wäre, wenn wir heu­te – über 50 Jahre spä­ter – noch ein­mal eine Voyager-Sonde star­ten könn­ten? Mit einer eben­sol­chen Datenplatte? Was wären die Bilder, Texte, Töne und Botschaften, die sie ent­hal­ten müss­te: Von uns selbst, von unse­rer Zivilisation, unse­rem Planeten im Jahr 2019?

Mit viel Energie und Neugierde wur­den Ideen for­mu­liert, Vorschläge dis­ku­tiert, über­prüft ob sie reprä­sen­ta­tiv oder aber kon­tro­vers sind und sich schluss­end­lich geei­nigt. Als beson­de­re Herausforderung kam die Aufgabe hin­zu, die gefun­de­nen Antworten so zu gestal­ten, dass auch frem­de Zivilisationen gänz­lich ohne gemein­sa­me Sprache und kul­tu­rel­len Kontext die Botschaft begrei­fen kön­nen. Gerade die­se Abstraktionsebene hat dazu bei­getra­gen, sich über Grundannahmen unse­rer Gesellschaft(en) Gedanken zu machen.

Als uni­ver­sel­le Sprache wur­de die Mathematik iden­ti­fi­ziert, aber (wie) macht man auf aktu­el­le Errungenschaften und Probleme auf­merk­sam vor denen die Menschheit der­zeit steht? Wie ver­mit­telt man Emotionen und Träume und wie beschreibt man z.B. Religionen. Zwar glau­ben knapp 85% der Menschen auf unse­rer Erde an etwas Übernatürliches – über 50% an ein Wesen, das sie Gott/​Allah nen­nen – die wis­sen­schaft­lich-ori­en­tier­te NASA aber hat jeg­li­chen reli­giö­sen Bezug auf der „gol­den Record“ aus­ge­spart. Sollte nun also in einer aktu­el­len Botschaft Religion eine Rolle spie­len, auch wenn Glaubensgemeinschaften in unse­rem deut­schen Alltag zuneh­mend weni­ger von Bedeutung sind? Und wie kann man das Konzept „Übernatürlich“ deut­lich machen? Früher wur­den die Götter im „Himmel“ ver­or­tet, nun schwe­ben dort Raumsonden. Die Gruppe hat sich für eine Gegenüberstellung von Entstehungsgeschichten ent­schie­den: Moses Genesis gegen­über dem Urknall und der Evolution. Das eine ist ungleich dem Anderen, aber bei­des ist hilf­reich, um unse­re Kultur zu ver­ste­hen. Und was wäre, wenn eine frem­de Zivilisation auch den Davidstern, das Kreuz, den Hilal mit Stern oder ein ande­res uns bekann­tes reli­giö­ses Symbol als Zeichen für eine Lichtjahre ent­fern­te Religion nut­zen wür­de. Wäre das nicht ein mög­li­cher Beweis für die Existenz einer über­na­tür­li­chen Macht?

Mit die­sen Fragen wur­de das Gedanken-Experiment zu einer Denk-Übung, in der die gro­ßen Themen für die SchülerInnen ganz kon­kret wur­den: Wer sind wir? Wer wol­len wir sein? Und das in einem Moment der glo­ba­len Krise, in dem die poli­ti­schen, öko­lo­gi­schen, sozia­len und kul­tu­rel­len Herausforderungen mit Wucht auf die Agenda zurück­ge­kehrt sind? Eine Visitenkarte der Menschheit 2019. Ein glo­ba­les Selfie nicht per Knopfdruck, son­dern als fach- und schul­über­grei­fen­des Projekt.

Wir möch­ten uns bei den betei­lig­ten Partnern bedan­ken. Finanziert und kon­zi­piert wur­de das Projekt von der Udo Keller Stiftung Forum Humanum in Zusammenarbeit mit dem Planetarium Hamburg, päd­ago­gisch bera­ten und beglei­tet von Karlheinz Goetsch, einem ehe­ma­li­gen Lehrer der MBS.